
Der hl. Franz von Sales, dessen 400. Todestag wir am 28. Dezember 2022 gefeiert haben, wurde im Jahr 1567 geboren und starb 1622 im Alter von 55 Jahren. Im Jahr 1593 wurde er zum Priester geweiht, nachdem er zuvor Rechtswissenschaften, Philosophie und Theologie studiert hatte. Schon bald stellte sich sein außergewöhnliches Predigttalent heraus, die Menschen strömten in Scharen zu seinen Predigten. Im Jahr 1602, also schon im Alter von 35 Jahren wurde Franz von Sales Bischof von Genf, er wurde zu einem der großen Reformbischöfe, die die Beschlüsse des Konzils von Trient ausführten und so zu einer entscheidenden Rekatholisierung beitrugen. Neben seinem Talent als begnadeter Prediger war er auch ein einfühlsamer Seelsorger, der seinen katholischen Glauben überzeugend lebte und eine herausragende Persönlichkeit, die alle, die ihm begegneten, in seinen Bann schlug.
Es gibt nicht viele Heilige, die es ihren Biographen so leicht machten. Franz von Sales war bekannt, bewundert und schon zu Lebzeiten als Heiliger verehrt. Er pflegte einen sehr offenherzigen Umgang mit seinen Freunden und informierte sie über alles, was ihn selbst betraf. Als Bischof einer kleinen Stadt stand sein Haus jedem offen, alle konnten ihn beobachten, ja sogar durch das Schlüsselloch beobachtete ihn einmal ein Freund, weil er wissen wollte, wie sich ein Heiliger benimmt, wenn er allein ist.
Neben vielen anderen, die sein heiligmäßiges Leben bezeugen, besitzen wir auch ein Protokoll der Einvernahme eines anderen Heiligen, des hl. Vinzenz von Paul, der im Jahre 1628 während der Eröffnung des Seligsprechungsprozesses unter Eid zu den Tugenden des hl. Franz von Sales befragt wurde. Im Video, das am Ende dieses Artikels verlinkt ist, bringt uns P. Johannes Regele einige sehr interessante und aussagekräftige Ausschnitte aus dieser Befragung.
Der Tod eines Heiligen
Zum Leben des hl. Franz von Sales gibt es unendlich viel zu sagen und wir werden noch öfters auf dieser Webseite von diesem so außergewöhnlichen Menschen berichten, aber da wir vor kurzem seinen 400. Todestag gefeiert haben, möchten wir einen Blick auf seine letzten Stunden auf dieser Erde werfen. Wie stirbt ein Heiliger? Wie verlässt er diese Welt, um seinem Schöpfer entgegenzutreten? Es ist nicht Neugierde, die uns dazu antreibt, denn die Todesstunde enthüllt auch das Wesen eines Menschen und das Verhalten in dieser alles entscheidenden Stunde mag uns ein Beispiel sein, dem es nachzueifern gilt.
Franz von Sales starb nicht in klösterlicher Zurückgezogenheit in aller Stille, sondern im Lärm eines unwirtlichen Zimmers. Man quälte ihn bis zuletzt, man beanspruchte ihn bis zuletzt, aber er gab sich bis zuletzt an seine Sendung hin in vollkommener Ergebung seines Willens in die göttliche Liebe.
Wenn Gott es will…
Am 27. Dezember 1622 frühmorgens fühlte er sich nicht wohl und obwohl ihm Augen und Glieder fast den Dienst versagten, zelebrierte er die hl. Messe, mit großer Mühe zwar, aber mit tiefer Andacht und Ehrfurcht. Die Novizinnenmeisterin des Klosters in Lyon, wo er sich auf der Rückreise von einem Besuch in Avignon befand, erkannte seinen ernsten Zustand und bat ihn um eine letzte Botschaft für die jungen Schwestern. Er nahm ein Blatt Papier und schrieb darauf ein einziges Wort: Demut. Am Vormittag hatte er Konferenzen mit weltlichen Führern, die er mit großer Willenskraft durchstand und als er endlich heimkam, fiel er zu Boden und blieb ohnmächtig liegen. Er hatte einen Schlaganfall erlitten, der ihn völlig lähmte, heute können wir wohl annehmen, dass er unter hohem Blutdruck litt, der zum Schlaganfall führte. Wir wissen, dass der Heilige von seinem Charakter her Choleriker war, der zu Zornausbrüchen neigte. Infolge seiner fast übermenschlichen Selbstbeherrschung merkte das aber kaum jemand, nur seine Freunde wussten davon. Man kannte ihn nur als den „Heiligen der Sanftmut, der Milde“, eine Tugend, die er in einem außergewöhnlichen Grad besaß.
Die herbeigerufenen Ärzte wandten nun die ihnen bekannten Methoden an, die man aus heutiger Sicht nur als Torturen bezeichnen kann, damit der Kranke nicht bewusstlos wurde. Durch Schmerzzufügung wurde er wachgehalten: Man riss ihm Haare aus, brannte ihn mit glühenden Eisen, setzte ihm ein Pflaster auf den Kopf und riss damit nicht nur Haare, sondern auch Teile der Kopfhaut weg. Kein Wort der Klage kam über seine Lippen: „Machen Sie mit dem Kranken, was Sie wollen“ sagte er zu den Ärzten. Man schickte nach einem Priester, der ihm die heiligen Sterbesakramente spendete.
Die Nachricht über seinen Zustand verbreite sich wie ein Lauffeuer und Scharen strömten herbei. Man ließ das geschehen, denn durch die Fragen der Menschen wollte man ihn vor der Agonie bewahren. Einer der anwesenden Priester fragte angesichts dieser Umstände: „Wenn es der Wille Gottes wäre, würden Sie dann nicht gerne in diesem Augenblick sterben?“ Franz von Sales lächelte und sagte: „Wenn Gott es will, dann will ich es auch, in dieser Stunde oder in einer anderen – was liegt daran?“
Es will Abend werden
Am frühen Morgen des nächsten Tages, des 28. Dezember zogen wieder Scharen von Menschen an seinem Bett vorbei und niemand hielt sie ab. Der Heilige hob immer wieder und mit großer Mühe seine Rechte zum Segnen, es fiel ihm immer schwerer. Der Generalvikar wollte wissen, ob sich der Bischof vor dem Sterben fürchte, denn der Gedanke an den Tod sei doch sehr bitter. Franz von Sales antwortete: „Nur für denjenigen, der seine Ruhe im Reichtum sucht.“ Er hatte keine Angst: „Mein Auge ist allezeit auf den Herrn gerichtet, Er wird meine Füße aus der Schlinge ziehen“. Auch im Sterben blieb er im höchsten Maße der Tugend der Hoffnung treu und setzte sein ganzes Vertrauen in Gott.
Die Befragung ging weiter, den ganzen Tag über setzte man ihm mit banalen und quälenden Fragen zu, es gab keinen Augenblick der Ruhe. Worte des Trostes gab es kaum, aber er bedurfte des Trostes auch nicht mehr. Die Sonne ging unter, ein Priester kniete an seinem Bett im Gebet. Franz von Sales lag völlig erschöpft und nun hielten ihn auch die Fragen nicht mehr wach. Gegen 18 Uhr sagte er: „Es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt. Jesus! Maria!“ Der Name der Jungfrau Maria war sein letztes Wort auf Erden. Man entzündete die Sterbekerze und betete die Allerheiligenlitanei. Am Festtag der Unschuldigen Kinder rief man sie an: „Alle heiligen unschuldigen Kinder, bittet für uns“, und mit dieser Anrufung gab der Heilige sein Leben zurück an seinen Schöpfer, nach welchem er sich sein Leben lang so sehr gesehnt hatte.
Bescheiden, ruhig und völlig in den Willen Gottes ergeben, hatte ein so großer Heiliger diese Welt verlassen, aber als man in der Stadt Lyon hörte, dass er gestorben war, zog fast die ganze Stadt zu dem Kloster, wo infolge der großen Menschenansammlung ein lauter Tumult ausbrach. Schließlich entstand auch ein großer Streit, wo der Heilige begraben werden sollte, an seinem Sterbeort Lyon oder an seiner Wirkungsstätte in Annecy. Nach tagelangem Hin und Her wurde der Leichnam dann in einem feierlichen Zug nach Annecy überführt, wo er schließlich am 29. Januar seine letzte Ruhestätte fand.
Zwei Alternativen des Menschseins
Der hl. Franz von Sales war ein überaus großes Geschenk Gottes an diese Welt, in der er weiterhin wirkte, auch nach seinem Tod und das nicht nur durch die zahlreichen Wunder, die auf seine Fürsprache hin geschahen, sondern auch durch seine Schriften, ganz besonders zu erwähnen ist hier „Philothea“. Er ist und bleibt ein großes, nachahmenswertes Beispiel für alle Christen, im besonderen aber für Bischöfe und Priester.
Es war Joseph Ratzinger, der spätere und vor kurzem verstorbene Papst Benedikt XVI., der einmal auf folgenden Umstand hinwies: Die Häuser des hl. Bischofs Franz von Sales und des Philosophen Jean-Jacques Rousseau standen in der gleichen Straße in Annecy einander gegenüber. Joseph Ratzinger zog einen Vergleich: „Zwei Grundmöglichkeiten der Neuzeit, zwei Alternativen des Menschseins begegnen sich da: Franz von Sales, der Mensch, der sich hat (in Gottes Hände) fallen lassen, von sich weggeschaut hat und so voll Vertrauen wurde… Und auf der anderen Seite Jean-Jacques Rousseau, der als erster und wie kein anderer die große Verweigerung gelebt hat, die Verweigerung aller Zielbestimmung des menschlichen Seins.“
Genau vor dieser Wahl steht jeder Einzelne von uns: Sich Fallenlassen in Gottes gnädige Hand oder zurückgeworfen sein auf unsere menschliche Begrenztheit. Welche Wahl treffen wir?
Quellen:
"Franz von Sales" von Hildegard Waach, Eichstätt, 1955"
"Philothea" von Franz von Sales