
Liebe katholische Ärzte Österreichs,
wiederum möchte ich Ihnen anlässlich des Weihnachtsfestes einige Gedanken auf Ihren Weg mitgeben.
Der heilige Papst Leo der Große erläuterte vor über 1500 Jahren in verschiedenen Predigten die konkrete und stets zeitgemäße Bedeutung des Weihnachtsgeheimnisses für das christliche Leben: „Die Worte des Evangeliums und der Propheten entflammen unseren Geist und lehren uns, die Geburt des Herrn, das Geheimnis des Wortes, das Fleisch geworden ist, nicht so sehr als eine Erinnerung an ein vergangenes Ereignis zu verstehen, sondern vielmehr als eine Tatsache, die sich vor unseren Augen abspielt… Es ist, als würde uns am heutigen Fest noch einmal verkündet: "Ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr" (Predigt auf das hl. Weihnachtsfest). Und Leo der Große fügt hinzu: „Erkenne, o Christ, deine Würde und zum Teilhaber an der göttlichen Natur gemacht, gib acht, nicht durch unwürdiges Verhalten von dieser Größe in die einstige Niedrigkeit zurückzufallen“ (Predigt auf das hl. Weihnachtsfest).
Die tiefere Betrachtung der Menschwerdung und der Geburt Jesu Christi sind für den Christen und noch einmal ganz speziell für den Arzt von großer Bedeutung. Es war gerade der heilige Evangelist Lukas, der Arzt, der - und mit allen Details - die Kindheitsgeschichte Jesu Christi in seinem Evangelium überliefert hat. Dass Gott Mensch wird, übersteigt so gewaltig all unser Begreifen. Und, dass wir selbst dann auch da hineingenommen werden in die Geheimnisse unseres Erlösers übersteigt alles noch einmal mehr. Welche unglaubliche Würde haben wir schon als Geschöpfe Gottes, aber welch größere Würde wurde uns zuteil als Kinder Gottes, die wir wahrhaft sind! Die Anerkennung der einzigartigen Würde der menschlichen Person hat viele Konsequenzen, gerade für den Arzt. Den kranken Menschen muss geholfen werden, nicht nur um das physische Wohlbefinden, sondern auch das psychische und moralische wiederzuerlangen. Das setzt beim Arzt neben der fachlichen Kompetenz eine Haltung der liebenden Sorge voraus, die sich am Bild des guten Samariters im Evangelium inspirieren soll. Die Grundlage zur fruchtbaren Behandlung des kranken Menschen ist das immer tiefere Eindringen und Erfassen unserer einzigartigen Würde, auch das immer mehr Achten der unsterblichen menschlichen Seele.
Welche weiteren Änderungen werden im neuen Jahr auf unsere Gesellschaft zukommen? Wie müssen wir dem allem als katholische Ärzte begegnen?
Der Weg, den unsere Gesellschaft schon seit längerer Zeit nimmt, lässt schlimmste Befürchtungen für die Zukunft aufkommen. Schon seit längerem muss man den Eindruck gewinnen, dass die Wissenschaft, gerade auf dem Gebiet der Biotechnologie, der gesellschaftlichen Entwicklung davonläuft und dass dieser Prozess, mangels eines Referenzpunktes, wie es die Religion zu allen Zeiten darstellte, alle ethischen Bedenken auf seinem Weg zunehmend eliminiert. Die Hybris des Menschen, sein Grundübel, verleitet ihn dazu, Grenzen zu überschreiten, die Gott gesetzt hat und die folgerichtig unantastbar sind. Die Folgen der Missachtung der Gesetze Gottes können nur veheerend sein.
Mit dem praktisch völligen Glaubensverlust in der Gesellschaft verschwand auch das Bewusstsein der großen Würde des Menschen und damit der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens. So ist es zu erklären, dass dieses Tabu in unserer Zeit von allen Seiten und auf die vielfältigste Art und Weise angegriffen und bedroht wird. Eine dieser Bedrohungen ist zweifelsohne die Genderideologie, die ihre toxischen Ideen – alle biologischen Fakten negierend - zunehmend in der Gesellschaft verankert, was sich als ganz besonders verhängnisvoll für die Jugendlichen darstellt, denen oft genug in der vulnerablen Phase der Persönlichkeitsfindung keine Orientierung geboten wird.
Katholische Ärzte sind aufgerufen, aus ihrem Glauben heraus ihre Stimme für die Wahrheit zu erheben und für die Heiligkeit des Lebens einzutreten, sowie für die Würde des Menschen, wo immer diese bedroht und verletzt wird. Jeder sollte sich da seiner Verantwortung als Christ bewusst sein und seine Talente und Fähigkeiten dementsprechend einsetzen. Wir stehen hier vor einer immens großen Aufgabe, die täglich in ihrem Ausmaß zunimmt, weil der Druck des herrschenden Zeitgeists immer stärker wird. Aber wer sonst sollte diese Aufgabe übernehmen?
Besinnen wir uns auf die Würde des Menschen, auf die Würde der Kinder Gottes! Wir müssen mehr kämpfen denn je, und mehr denn je müssen wir unsere Stimme hörbar machen in dieser Gesellschaft, müssen eintreten für die Wahrheit. Dazu bedarf es des Mutes, den wir aber aus unserem Gottvertrauen gewinnen können. Unser katholischer Glaube gibt uns die Kraft, auch in schwierigen Situationen die ewigen Wahrheiten Gottes zu bezeugen und zu verteidigen und unsere Handlungen an Seinem ewigen Gesetz auszurichten.
Ich wünsche Ihnen allen, Ihren Familien und Freunden, besonders aber auch Ihren Patienten, ein frohes und gnadenreiches Weihnachtsfest. Unser Herr Jesus Christus möge Ihnen jenen Frieden des Herzens in dieser Weihnachtszeit schenken, den unsere Gesellschaft nicht geben kann.
Gottes reichen Segen!
Ihr
P. Johannes Regele
Jaidhof, 21. Dezember 2022
Hören Sie hier die Predigt von P. Johannes Regele in der Ärztemesse am Fest des Hl. Lukas >