Das Buch Hiob: 16. und 17. Kapitel

11. März 2023
Quelle: Distrikt Österreich
Wallfahrtskirche Loretto, Burgenland

16. Kapitel: Ijobs Berufung auf Gottes Bürgschaft 

 

Darauf erwiderte Ijob:

LÄSTIGE TRÖSTER

„Genugsam gehört habe ich derlei Geschichten - ihr alle seid leidige Tröster! Ist nun zu Ende das windige Geschwätz? Was reizt dich, mir so zu entgegnen? Daherschwatzen könnte auch ich wie ihr, wenn ihr hier läget statt meiner! Schöne Reden wollte ich euch halten, über euch wiegen bedauernd das Haupt. Ich wollte euch schon stärken mit Worten, mit Trostgebärden würzen die Rede!

SCHMERZ ÜBER DIE VERSTÄNDNISLOSIGKEIT DER FREUNDE

Doch rede ich nun, so wird mein Schmerz nicht erleichtert, und laß ich es, wie ginge er dann von mir? Wahrlich, nun hat meine Qual mich erschöpft, meine Sippe hast ganz du vernichtet. Mich hast du gepackt. Zeugnis legen wider mich ab die Verleumder, schleudern ins Angesicht mir die Klage. In Stücke reißt mich ihr Grimm! Sie fallen mich an, gegen mich fletschen sie die Zähne, drohend funkeln mich an meine Feinde. Sie schnappen nach mir mit dem Maul, schlagen mich schmählich auf die Wange, gütlich tun sich an mir alle. Bösewichtern gibt Gott mich preis, in die Hände der Frevler läßt er mich fallen.

KLAGE ÜBER DIE HEIMSUCHUNG GOTTES

Friedvoll lebte ich - da hat er mich aufgestört, mich rücklings gepackt und zerschmettert, als Zielpunkt hat er mich aufgestellt, rings umschwirren mich seine Pfeile, erbarmungslos durchschießt er meine Nieren, meine Galle gießt er zur Erde. Bresche auf Bresche reißt er in mich, rennt wider mich an wie ein Kriegsheld. Sacktuch trage ich auf bloßem Leib, mein Stolz hat gebeugt sich zum Staube. Mein Angesicht ist gerötet vom Weinen, Todesnacht liegt um meine Wimpern. Doch klebt kein Unrecht an meiner Hand; lauter war mein Beten! O Erde, decke nicht zu mein Blut! Nie finde mein Wehruf ein Ende!

 

17. Kapitel: Der göttliche Bürge für ein gerechtes Urteil 

 

Mein Geist ist verstört, meine Tage verlöschen, meiner harrt das Grab! Fürwahr! Um mich herum ist Gespött, ihr stures Schwatzen raubt meinen Augen den Schlaf. Hinterlege du Bürgschaft für mich bei dir! Wer sonst könnte wohl mein Bürge sein? Solange du ihr Herz der Einsicht verschlossen, wirst du nimmer ihnen gönnen den Sieg! Die Habe will man an andere verteilen, wo doch der Kinder Augen verschmachten.

HOFFNUNG AUF GOTT ALS DEN ANWALT DER UNSCHULD

Doch im Himmel ist noch ein Zeuge für mich, noch lebt mir in der Höhe ein Anwalt. Fürsprecher sind für mich meine Leiden; zu Gott schaut in Tränen mein Auge. Er schafft dem Sterblichen Recht vor Gott, dem Menschen gegenüber seinem Nächsten. Denn nur wenige Jahre bleiben mir noch, den Weg ohne Wiederkehr muß ich dann wandern.

DIE FALSCHE FRÖMMIGKEIT DER FREUNDE

Man gab mich preis dem Gespött aller Welt, man speit mir ins Antlitz. Meine Augen verlöschen vor Gram, wie der Schatten sind alle meine Glieder, darüber sind entrüstet die Frommen, über den Frevler sind die Reinen empört. Doch nur umso fester steht zu seinem Wandel der Gerechte, an Kraft nur erstarkt noch, wessen Hände rein! So tretet alle nur wieder herzu, unter euch finde ich doch keinen Weisen! Hin sind meine Tage, zerfetzt meine Pläne, die Wünsche meines Herzens. Sie machen die Nacht zum Tag, der Finsternis nähert sich das Licht. Obgleich ich hoffe, wird doch die Unterwelt meine Wohnstatt, im Dunkel bereite ich mein Lager. Zur Fäulnis sage ich: ,Mein Vater bist du!‘, zum Moder: ,Meine Mutter! Meine Schwester! Wo gibt es noch wirklich Hoffnung für mich? Mein Glück, wer kann es noch sehen? Zu den Toren des Totenreichs steigen sie nieder - fahren wir zusammen zum Staub?“