
Am 29. Dezember gedenkt die Kirche des heiligen Erzbischofs Thomas Becket
Er starb an diesem Tage innerhalb der Oktav des hohen Weihnachtsfestes um der Freiheit der Kirche willen als Martyrer. Thomas Becket wurde am Tage des heiligen Apostels Thomas im Jahre 1118 zu London geboren. Thomas Becket wurde wohl noch an demselben Tage getauft, so daß er den Namen des heiligen Apostels erhielt.
Es wird erzählt, seine Mutter sei eine bekehrte Sarazenin gewesen; jedenfalls war der Vater ein Normanne namens Gilbert. - Im Jahre 1066 hatte Wilhelm von der Normandie (1066 - 1087), genannt der Eroberer, nach dem Sieg bei Hastings über Harold II. Godwinson (1066) die Nachfolge des heiligen angelsächsischen Königs Eduard des Bekenners angetreten.
Nach seiner Ausbildung in Merton Abbey und dem Studium in Oxford und Paris wurde Thomas Becket Kleriker der hl. Kirche. Um 1141 trat er in den Dienst des Erzbischofs Theobald von Canterbury (1138 - 1161), der ihn zum Studium des Kirchenrechts nach Bologna und Auxerre sandte. 1154 empfing Thomas die Diakonenweihe. Er wirkte fortan als Archidiakon des Erzbischofs, bis König Heinrich II. Courtmantle (1154 - 1189) Thomas Becket 1155 zu seinem Kanzler ernannte. Heinrich II. von England und Thomas waren zu jener Zeit „ein Herz und eine Seele“. Sogar die Erziehung seiner Kinder vertraute der König dem Kanzler an.
Nachdem Erzbischof Theobald gestorben war, sorgte der König dafür, daß der ihm vertraute Thomas Becket 1162 dessen Nachfolger wurde. Gewiß glaubte er, mit dem neuen Oberhaupt der Kirche Englands nach Belieben verfahren zu können. Doch Heinrich II. hatte sich getäuscht. Thomas Becket nämlich begann, nachdem er das hohe Amt übernommen hatte, ein diesem entsprechendes Leben der Hingabe und der Abtötung zu führen. Auch legte er - gegen den Wunsch des Königs - sein Kanzleramt nieder. Thomas diente nur noch der hl. Kirche.
König Eduard der Bekenner wurde 1161 heiliggesprochen, und zwei Jahre danach, am 13. Oktober 1163, übertrug Thomas Becket die Gebeine in die von Eduard erbaute, später Westminster Abbey genannte Benediktinerabtei St. Peter, wo der heilige König von da an verehrt wurde.
König Heinrichs II. zog die Einkünfte unbesetzter geistlicher Ämter ein und war deshalb darauf aus, Vakanzen möglichst lange hinzuziehen. Heinrichs weltliche Gerichtsbarkeit verhandelte widerrechtlich auch über Geistliche. Die Edelleute des Königs endlich versuchten immer wieder, der hl. Kirche Teile ihres Besitztums zu rauben. All dem trat der hl. Thomas Becket entschlossen entgegen.
Das nun folgende, gewalttätige Drängen Heinrichs II. gegen die englischen Bischöfe zielte darauf ab, sie der Krone gefügig zu machen. Der König hielt vor dem Parlament 1163 eine Rede, die erkennen ließ, daß er die Freiheit der katholischen Kirche in England beseitigen wollte. Thomas brachte die englischen Bischöfe dazu, Widerstand zu leisten. - Schließlich allerdings wurde der Heilige durch ein gefälschtes, vorgeblich päpstliches Schreiben zur Nachgiebigkeit verleitet. Nachdem er aber den Betrug erkannt hatte, weigerte sich der hl. Thomas Becket die königlichen Forderungen zu unterschreiben, die er mündlich anerkannt hatte. Daraufhin erhob Heinrich II. falsche Anklagen gegen den Erzbischof. Er sollte wegen Veruntreuung von Geldern während seiner Kanzlerschaft vor Gericht gestellt werden. Nach seiner Verurteilung floh St. Thomas Becket 1164 außer Landes und suchte Papst Alexander III. (1159 - 1181) auf, der zu jener Zeit in Frankreich weilte. Unterdessen drangsalierte Heinrich II. alle Verwandten des heiligen Erzbischofs.
Papst Alexander III. erkannte die Rechtmäßigkeit der Handlungen des hl. Thomas Becket ausdrücklich an. Dieser zog sich ins Zisterzienserkloster (vgl. 20.8) Pontigny zurück. Als aber König Heinrich II. damit drohte, alle Zisterzienser Englands auszuweisen, waren die Mönche von Pontigny damit einverstanden, daß der Heilige ihr Kloster wieder verließ. Der französische König Ludwig VII. (1137 - 1180) äußerte seine Bestürzung angesichts des mangelnden Mutes dieser Zisterzienser, die St. Thomas Becket nicht hätten fortgehen lassen dürfen. Er bot dem Heiligen an, ein anderes Kloster auszuwählen; dort sollte er von nun an einen sicheren Aufenthalt haben. Der Erzbischof entschied sich für die auf das 7. Jahrhundert zurückgehende Benediktinerabtei St. Columba bei Sens.
1170 schien Heinrich II. zur Versöhnung bereit zu sein, und Thomas Becket kehrte am 30. November desselben Jahres nach Canterbury zurück, jubelnd empfangen vom Volke. Doch Heinrich II. suchte nur nach einem Anlaß für die Erneuerung seines Streites mit dem Oberhaupt der englischen Kirche. Als der hl. Thomas Becket in seiner Weihnachtspredigt Verleumder angriff, die sich zwischen ihn und den König stellten, da klagte dieser vor einigen seiner Gefolgsleute, was für feige Menschen ihn umgäben, die dem König durch den Pfaffen von Canterbury angetane Beleidigungen ruhig hinnähmen. So deutete Heinrich II. an, daß Thomas Becket zu töten sei. Daraufhin begaben sich vier Ritter nach Canterbury. Zur Zeit der Vesper drangen sie am 29. Dezember 1170 in die Kathedrale der Stadt ein und mordeten den hl. Thomas Becket, indem sie dem vor dem Altar Betenden das Haupt spalteten. Um ihre Grausamkeit ins Maßlose zu steigern, versprengten sie danach das Hirn des Getöteten auf dem Boden der Kathedrale.
Vom Himmel aus aber ermahnte Thomas Becket den König zur Umkehr, die dieser im Sommer 1174 mit einer öffentlichen Buße am Grabe des im Jahre zuvor Heiliggesprochenen endlich vollzog: Zunächst war Heinrich II. während seiner Regentschaft von Triumph zu Triumph geeilt. 1157 unterwarf er die Fürsten von Wales. In demselben Jahre mußte ihm Schottlands König Malcolm IV. (1153 - 1165), genannt die Jungfrau, den Huldigungseid leisten. 1172 schließlich bestätigte Papst Alexander III. Heinrichs Herrschaft über Irland. Anjou, Bretagne und Normandie unstanden Heinrich II. Doch 1174 erhob sich gegen ihn eine Allianz der Könige Frankreichs und Schottlands im Bunde mit Prinz Heinrich dem Jüngeren von England (gest. 1183) sowie Teilen des englischen Adels. Heinrich II. flehte den hl. Thomas um dessen Fürsprache an, damit ihm sein Königreich erhalten bleibe. Am 13. Juni 1174 kam es zur Schlacht bei Alnwick, in der die Schotten nicht nur geschlagen wurden. Ihr König, Wilhelm I. der Löwe (1165 - 1214), geriet in englische Gefangenschaft und kam nur dadurch wieder frei, daß er die Oberhoheit Heinrichs II. über Schottland anerkannte. - Am 7. Juli 1174 tat Heinrich II. öffentlich Buße; dabei ließ er sich von den Mönchen Canterburys geißeln.
Seit der Heiligsprechung am 21. Februar 1173 und der Übertragung der Reliquien nach Canterbury fanden Wallfahrten zum hl. Thomas Becket weite Verbreitung. - Bereits ein Jahrhundert nach dem Martyrium berichtete man von zahlreichen Wundern, die sich durch die Fürsprache des hl. Thomas Becket ereignet hatten. In denen, die die Legenda aurea aufzählt, geht es oft darum, daß Menschen auf wunderbare Weise lernen, sich mit demjenigen zufrieden zu geben, was Gott ihnen zugeteilt hat.
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde Heinrich VIII. (1509 - 1547) zum englischen König gekrönt. Um mehrmals Ehen eingehen zu können, ließ sich Heinrich VIII. 1531 von den englischen Geistlichen als Oberhaupt der Kirche Englands anerkennen. Er plünderte die Kirche und scheute nicht die Ermordung von Heiligen, von denen manche auf grausamste Weise umgebracht wurden. Natürlich war Heinrich VIII. der im Volk so beliebte Kult des hl. Thomas Becket zuwider. Darum ließ er 1538 Grabmal und Reliquien des Heiligen vernichten. - Änderungen an der Feier der hl. Messe vorzunehmen untersagte Heinrich VIII. noch. Doch nach seinem Tod wurden Prozessionen verboten, Gottesdienste in der Landessprache genehmigt und ein von doppeldeutigen Formulierungen durchsetzter, neuer Ordo der Messe herausgegeben, dem das Offertorium fehlte. Vom Schisma schritt man fort zur Häresie. Die gekrönten Häupter Englands aber tragen noch immer den vorreformatorischen Titel Heinrichs: „Defensor fidei“, Verteidiger des Glaubens.
1961 wurde auch in der Liturgie der Kirche die Feier des Gedächtnisses des hl. Thomas von Canterbury herabgestuft, so daß die liturgische Farbe des 29. Dezember nicht mehr das Rot des Martyrers ist. Dieses wurde ersetzt durch das Weiß der Weihnachtsoktav.
Aus: Ralf Oppermann, Der Widerschein der Herrlichkeit. Begleitbuch zum Kirchenjahr im Alten Ritus.